Auf dem offenen Meer des Kummers –
Roland Barthes, Tagebuch der Trauer
die Küsten verlassen, nichts in Sicht. …
Ich schreibe immer weniger über meinen Kummer,
doch in gewissem Sinne ist er stärker,
hat sich verewigt …
Mit meinem geliebten DU und WIR ist mein Lebensschiff gesunken. Lange Zeit versuchte ich nachts Schlaf zu finden mit dem inneren Bild eines Rettungsbootes, in dem ich über dem Koffer meiner Erinnerungen (der nur ja nicht aufspringen durfte) kauernd auf dem dunklen Ozean trieb.
Das Barthes-Zitat bringt mir dies Bild wieder nahe. Ich frage mich, ob es nach wie vor mein Inneres spiegelt und stelle ohne zuvorige Kenntnis des obigen Gemäldes (!) fest, dass ich inzwischen auf einer Art Sandbank hocke, an die es mich getrieben hat. Den Koffer muss ich noch immer fest geschlossen halten, zu schmerzhaft der Vergleich seines Inhalts mit der Wirklichkeit. Es ist nicht mehr dunkel, eher nebelgrau, was keinen Fortschritt bedeutet, denn nun ist das mich umgebende Nichts deutlich erkennbar.
Man schickt mir Boote: Trost-, Zuversichts-, Hoffnungs-, Mut-, Kraft- und weitere Lebensboote. Zwar weiß ich, wie man rudert und navigiert – aber wohin und vor allem, warum? – Die Küsten verlassen, kein Land in Sicht. Und: In keinem der Boote sitzt mein DU. Alle sind leer.
Mit größter Disziplin steige ich regelmäßig in das Überlebensboot und rudere damit unter Aufbietung aller Schwäche um die Sandbank herum, um diese einzudeichen und vor den nicht erlösenden, sondern nur noch zerstörerischeren Sturmfluten zu schützen.

Mit dem Trauerboot kann ich dann noch am ehesten auf das offene Meer meiner Tränen hinaus fahren, hin zu der Flussmündung, an der ich nach meinem DU und nach dem Fährmann Ausschau halte, bis ich ermattet umkehre zur Sandbank zurück – – –
Alles ändert sich mit dem geliebten Menschen, der neben mir geht oder mir mit seinem Lächeln entgegenkommt und sich freut, dass ich ICH bin, sein DU und dass es unser WIR gibt. Und umgekehrt genauso.
MISCHI