I wish
I could love you
back to life
Aus meiner Chronik | Januar 2022
Erbärmliche Notwendigkeit: Seit Anfang des Jahres bin ich traurige Besitzerin einer „Grabkarte“.
Dass ich weder von der GESCHIEDENEN noch von JUNIOR über die Beisetzung des ÜBERALLESGELIEBTEN informiert wurde, hat mich im Grunde nicht überrascht.
Es ist jedoch beschämend, wenn man sich bei einer Friedhofsverwaltung nach der Ruhestätte des eigenen DU erkundigen muss. Und es ist auch beschämend, wenn intime letzte Grüße regelmäßig „deplatziert“ werden: wo ich mein Täfelchen niederlege, darf es meist nicht bleiben. Auch das nehme ich schweigend hin, versäumte aber wohl, der GESCHIEDENEN noch zu danken. Schließlich glaube ich sogar, dass an diesem unglückseligen Ort eine Art Frieden einkehrt und erlaube mir bei einem Besuch, den Platz von trockenen Blättern zu befreien. Das gärtnerische Handgerät, das mir dabei half, lasse ich (es ist Herbst) für weitere Anwendungen dort.
Als ich einige Tage später eine in beleidigendem Amtsdeutsch verfasste Nachricht von der GESCHIEDENEN erhalte, in der sie mir jegliche „Pflege und Gestaltung“ des Areals untersagt und mich auf ihre Großzügigkeit bezüglich der mir zugestandenen 20 Quadratzentimeter hinweist, übergebe ich mich haltlos.
In der Nacht schreibe ich mir in giftigem Behördenton die Qual von der erniedrigten Seele:
Eine sehr geehrte Anrede wäre wohl fehl am Platz –
Mit welch unbegreiflicher Boshaftigkeit vergiften Sie nun auch noch die Trauer um den mir wertvollsten Menschen, welchen letzten Endes Ihr selbstgerechtes Handeln das Leben kostete.
Was Sie zu derlei Gehässigkeiten treibt, lässt sich vermuten:
Es ist bekannt, dass Sie Ihre Rückkehr in das Leben Ihres Exmannes, von dem Sie schon seit fast Jahrzehnten geschieden waren, zumindest innerlich bereits zu planen schienen. Es ist verständlich, dass Ihnen mein sichtbares Gedenken an seinem Grab ein Dorn im Auge ist, denn es wird Ihnen wohl vor Augen führen, dass ich es war, die ihm jahrzehntelang meine Liebe schenken konnte und durfte. Ihre makabren Hoheitsansprüche sowie Ihre pietätlosen und neidischen Zugeständnisse an mich vervollständigen nur das Mosaik Ihres Gewissens, das Sie zweifellos quälen muss: gäbe es doch ohne Ihre selbstgerechte Einmischung in das bis dahin reibungslose medizinische Geschehen heute kein Grab für den Vater Ihres Sohnes.
Darüber kann auch eine offenbar von Schuldgefühl und Eifersucht getriebene, aber sichtlich lieblose Grabpflege nicht hinwegtäuschen, welche Ihnen de jure übrigens genauso wenig „obliegt“ wie mir.
Ich bin zwar gesundheitlich mehr als angegriffen und geschwächt, aber immer noch kultiviert genug, um mich nicht auf demütigende Schlammschlachten und gespenstische Stutenbissigkeiten einzulassen, die überdies der Tragweite des von Ihnen angerichteten Unheils in keiner Weise gerecht würden.
Mein Zorn ist Ihrer nicht würdig, aber seien Sie sich des Ekels bewusst, den ich Ihnen entgegenbringe.
Ein freundlicher Gruß verbietet sich
Ich stecke den Brief in mein Tagebuch.
Und heute …?
Die GESCHIEDENE ist äußerlich weit weg. Innerlich bleibe ich unversöhnlich und das ist recht so.
Da die Grabstelle neben der des ÜBERALLESGELIEBTEN frei ist, pachte ich sie kurzerhand und gedenke seiner dort bis zu dem Tag, an dem ich selbst darin liegen werde.
Jeden Monat bringe ich zum Andenken einen vergoldeten Stein hierher.
Manchmal dazu eine dekorierte Fliese aus der Reserve des Badezimmers, das viel zu kurz unser gemeinsames war. Darauf schreibe ich eine Botschaft oder ein Zitat, geschmückt mit Figuren oder Ornamenten.
Die besten Ergebnisse erziele ich dabei mit Porzellanmalfarben. Kurz im Haushaltsofen eingebrannt sind sie sehr witterungsbeständig. Zum Transfer des Entwurfs auf die Fliese eignet sich normales Kohlepapier – noch besser jedoch spezielles Transferpapier für Keramik- oder Glasarbeiten.
Dieselben Worte stelle ich kalligraphiert und gerahmt zu Hause an den Erinnerungsort des ÜBERALLESGELIEBTEN.
Den Entwurf drucke ich dazu auf Tonpapier aus und zeichne das Motiv mit Stahlfeder und Silbertinte nach. Danach schneide ich ein Passepartout-Fenster aus dem Papier heraus und hinterlege dieses mit andersfarbigem Papier, auf das ich den Text drucke. Den schreibe ich dann – quasi „mogelkalligraphisch“ – nach mit einer kleinen Bandzugfeder und Tinte oder Tusche.
Ganz sicher lässt sich die Karte aber auch beispielsweise mit Buntstiften gestalten.